Venedig

Ich habe überlegt, ob ich dort hinfahre, ob ich La Serenissima, der Durchlauchtigsten, wirklich meine Aufwartung machen soll.
Ist nicht jede Ecke schon tausend Mal von besseren Fotografen mit professionellerer Ausrüstung fotografiert worden?
Schieben sich nicht Menschenmassen durch jede enge Gasse?
Kostet der Espresso am Markusplatz nicht so viel wie anderswo ein Abendessen (fast)?

Alles wahr, ich bin trotzdem hingefahren, habe es nicht bereut, auch wenn mein Fazit am Ende zweigeteilt ausfällt.

Campingplatz

Nach dem es auf der gesamten Herfahrt geregnet hat, hört der Regen kurz vor Venedig auf.
Ich fahre in der Abendsonne durch ein ziemlich hässliches Hafenindustriegebiet. Ganz am Ende, an der Lagune, dem Zentrum von Venedig gegenüber, liegt der Campingplatz dann doch recht schön.

Blick auf den Campingplatz

Es ist ein Grasplatz und durch den Regen des Tages, hier hat es auch die vorhergehenden Tage geregnet, ist der Platz ziemlich matschig.
Einige große Wohnmobile haben sich schon festgefahren. Ich bin gewarnt und suche mir einen halbwegs trockenen Platz.

La Serenissima

Am nächsten Morgen ist es dann soweit, ich fahre mit dem Vaporetto, dem venezianischen Wasserbus, vom Campingplatz direkt ins Zentrum der Altstadt.

Pünktlich um 18:00 Uhr ist Feierabend.
Ich habe das Gefühl jeden Kanal schon fünfmal gesehen und dreimal fotografiert zu haben.
Ich kann mich nicht mehr motivieren noch irgendetwas mit Interesse anzuschauen.
Ich gehe noch ein ganzes Stück durch die immer noch volle Stadt zum Vaporetto-Anleger und bin froh, dass das Schiff mich aus dem Trubel zu meinem Bus fährt.

Ich finde jetzt oder nie ist der Inbegriff der Camperernährung, sozusagen camper's delight, fällig.

Ravioli

Am nächsten Morgen frühstücke ich zum ersten Mal auf dieser Reise draußen an meinem Klapptisch. Der ist übrigens super: klein, leicht, stabil!
Ich habe eine Ahnung, was den Reiz des Campings ausmacht. Zu Hause würde ich bei 12,5°C nicht draußen frühstücken, auch wenn die Sonne es angenehmer macht.

Frühstück

Gerade hier in Venedig kommen Leute aus allen Ländern zusammen, bringen ihre kleinen (OK, manchmal sind sie ziemlich gewaltig) Häuser mit und treffen sich an einem gemeinsamen Platz. Nomanden, die alleine durch die Welt ziehen und sich hier und da mit Gleichgesinnten treffen.
Gut, ich bin wohl in romantischer Stimmung, mein Blick auf Camper wird auch noch weniger positiv ausfallen.

Apropos Stimmung, nachdem ich einige Tage in einer großen Gruppe verbracht habe, fühle ich mich jetzt ein bisschen einsam. Ich überlege, das "Einsamkeits-Paket", das eine liebe Freundin mir mitgegeben hat, zu öffnen. Einsamkeit war aber nie ein großes Thema für mich, daher finde ich, ein bisschen Einsamkeit ist gar nicht schlecht und lasse das Paket geschlossen.

Außerdem ist heute Ostern, das geht fast ein bisschen unter. Aber meine Schwestern haben vorgesorgt und mir eine Osterausrüstung mitgegeben.

Osterei

Für meinen zweiten Tag kaufe ich eine Vaporetto-Tageskarte. Das ist eine gute Idee, den jetzt kann ich mal schnell auf's Boot hüpfen und ein paar Stationen fahren. Ich komme auch an Stellen, die zu Fuß schwer zu erreichen sind. Die Linie 1 tuckert jede Haltestelle im Canal Grande an.
Apropos, ich verspüre natürlich auch einen gewissen Bildungsauftrag ;-). Es heißt tatsächlich "Canal Grande". Obwohl "Canale Grande" so hübsch italienisch klingt, ist das eine deutsche Erfindung.
Ich fahre auch rüber nach San Giorgio, wo man vom Turm der Chiesa einen weiten Blick über das venezianische Zentrum hat.
Abends gönne ich mir 2 Caffè (weil sie so gut schmecken), ein Tiramisu und zwei keks-kleine Törtchen und zahle 6,50€ - das geht also auch in Venedig.

Fazit

Am Abend bin ich froh, dass ich morgen weiter fahre. Dass ich morgen nichts besichtigen brauche.

Venedig ist großartig, ich kenne nichts Vergleichbares, wahrscheinlich ist es wirklich einmalig im Wortsinne.

Menschen am Markusplatz

Venedig ist voll. Jetzt ging es, wenn man sich ein bisschen Abseits der Hauptattraktionen bewegt, gibt es sogar fast ruhige Ecken.
Ich weiß aber nicht, ob ich im Sommer kommen wollte.

Venedig ist ein bisschen, wie soll ich sagen, seelenlos.
Ich habe gelesen, dass sehr viele Menschen im Lauf der Zeit aus dem Zentrum gezogen sind (zu voll, zu teuer, zu laut), so dass es fast mehr ein Freilichtmuseum als eine lebendige Stadt ist.
Ich bilde mir ein, das spürt man.

Klingeln

Als ich am nächsten Morgen weiterfahre ist es bedeckt und ich denke, dass ich Glück hatte mit dem venezianischen Wetter.

Veröffentlicht in Busfahrt.

5 Kommentare

  1. Ja, Camper’s Delight schmeckt nirgendwo so fantastisch wie im Wohnwagen bzw. -mobil! Ich fühle mit. Schön, dass wir dich so ein bisschen begleiten können. Liebe Grüße und gute Fahrt!

  2. Pingback: Italien – Christian Ortlieb

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