Bretagne

Penmarch

Von Bordeaux aus fahre ich noch einmal nordwärts in die Bretagne.
Meine erste Station ist die Gegend um Penmarch, im Südwesten der Bretagne.
Als ich ankomme ist es grau und nieselt.
Ich beziehe meinen Campingplatz und fahre dann gleich weiter in den Küstenort Kerity, um dort das erste WM-Spiel der deutschen Mannschaft gegen Mexiko zu sehen.
In einer düsteren, wenig einladenden Fischerkneipe gibt es im noch düstereren und weniger einladenden Hinterzimmer eine Leinwand.
Deutschland verliert 1:0.
Wenn ich einen Film über Trostlosigkeit drehen wollte, wäre das jetzt genau die richtige Kulisse!

Die nächsten Tage wird es nicht besser.
Mein Campingplatz ist zwar recht schön eingewachsen, liegt aber mitten im Nirgendwo.
Im Waschhaus, es gibt nur ein gemeinsames für Männer und Frauen,  wird ab 23:00 Uhr das Wasser abgestellt.
Wohlgemerkt: nicht nur das Wasser zum Duschen, sondern auch das Wasser zum Spülen im WC.

Die Gegend ist von Wind und Wasser geprägt, viel Wind.
Dem beugen sich die Bäume

und an dem erfreuen sich die vielen Surfer.

Die vorherrschende Farbe ist grau. Wolken, Wasser, Gebäude, alles irgendwie grau.

Es gibt einige interessante Kirchen, denen man die Nähe zu Wind und Wasser ebenfalls ansieht.

Insgesamt ist mir der Charme der Gegend doch etwas zu rau.
Außerdem scheint der archaische Ritus des Menschenopfers hier noch gepflegt zu werden.

Ich nehme Kontakt mit einem ehemaligen französischen Kollegen auf, Erwan Le Breton.
Wie der Name sagt, ist er Bretone. Er empfiehlt mir die Presqu’île de Crozon, eine Halbinsel etwas weiter nördlich.
Also breche ich relativ bald wieder auf.
An meinem letzten Tag in der Gegend schreibe ich meinen Schwestern, dass ich etwas besorgt bin.
Außerirdische greifen die Gegend mit einem runden, gelben, leuchtenden Raumschiff an.
Wo ihre Energiekanonen mich treffen, wird meine Haut heiß.
Mal davon abgesehen, dass es natürlich ein (wie ich finde sehr gelungener) Scherz war, fühlt sich ein wolkenlos blauer Himmel mit einer strahlenden Sonne tatsächlich mittlerweile etwas unwirklich an.

Zur Versöhnung bleibt das Wetter jetzt aber bis zum Ende meiner Tour warm und sonnig.

Halbinsel Crozon

Auf dem Weg zu meinem Ziel halte ich in Audierne, einer hübschen, kleinen Hafen- und Strandstadt.
Am kleinen Hafen, der noch etwas im Nebel liegt, setzte ich mich in ein Café, frühstücke und genieße die Aussicht.

Auf meinem weiteren Weg halte ich kurz in Pont-Croix und schaue mir die Altstadt und die Stiftskirche an.

Am Nachmittag komme ich auf der Halbinsel an.
Mein Campingplatz liegt nur wenige Fußminuten von einem bei Surfern beliebten breiten Sandstrand, der von Felsformationen eingerahmt ist.

Strände die sich mit Felsklippen und Steilküsten abwechseln, dazwischen grüne Wälder und Heidelandschaften, bestimmen das Bild.

Am Abend möchte ich etwas essen.
Die Restaurants im nächsten größeren Ort, Morgat, kommen mir aber alle wie typische Touristenlokale vor.
Man sitzt sehr schön, aber das Essen ist eher etwas zu teuer für die gebotene Qualität.
Wiederum flüstert mir mein Freund Google einen kleinen Tipp zu.
Ein ursprüngliches kleines, von außen etwas unscheinbares Restaurant an einer Landstraße, das le Ti-Son, betrieben von einem freundlichen jungen Paar.
Dort gefällt es mir tatsächlich sehr gut.
Man sitzt im kleinen Garten an einfachen Tischen und Bänken, die Speisekarte ist übersichtlich aber gut.
Die junge Frau, die mich bedient, plappert munter auf Französisch auf mich ein. Obwohl ich nicht so viel verstehe, finde ich doch die richtigen Stellen, um „petit“ oder „grand“, „blanc“ oder „rouge“ zu sagen.
Entweder habe ich mich schon ein bisschen eingehört oder es macht doch einen Unterschied, ob man möchte, dass einen jemand, der der eigenen Sprache nicht mächtig ist, versteht.
Jedenfalls komme ich zwei Tage später wieder.

Erwan hatte mir ein paar Orte genannt, die ich mir unbedingt anschauen sollte.
Also leihe ich mir ein Fahrrad und fahre los.
Mein Freund lässt mich aber ein bisschen im Stich.
Er führt mich auf Wege, die diesen Namen nicht verdienen, die oft gar nicht im Dickicht zu erkennen sind und ich frage mich: woher hat Google solche Wege?!
Das fordert seinen Tribut und ich bleibe bald mit einem Platten liegen.
Der angerufene Verleiher macht sich auf den Weg, um mich abzuholen und ich bin ein bisschen traurig, dass mein Ausflug schon zu Ende ist.
Tatsächlich holt er aber nicht nur das platte Fahrrad ab, sondern bringt auch ein frisches mit, so dass ich meinen Weg fortsetzten kann.
Super Service!
So erreiche ich doch das Kap Pointe de Penhir. Von hier hat man einen tollen Blick auf die vorgelagerten Erbseninseln und die Westküste der Halbinsel.

Durch grüne Landschaften, vorbei an Natursteinhäusern radle ich zurück.

Auf meinem Weg zum dritten Station in der Bretagne halte ich noch an einem anderen Kap und verlasse dann Crozon, mit dem Gefühl doch Gefallen an der Bretagne gefunden zu haben.

Die rosa Granit Küste

Auf dem Weg zur Côte de Granit Rose mache ich in Brignogan-Plage Zwischenstopp.
Hier möchte Erwan ein Haus kaufen und ich will vorher mal nach dem Rechten sehen.
Tatsächlich finde ich einen sehr schönen, kleinen Hafenort, in dem mir das eine oder andere Haus auch gefallen würde!

Ich sitze dort auf der Terrasse vom Café du Port in der Sonne, schaue dort hin, wo das Meer langsam zurückkehrt und habe das Gefühl, ich könnte hier noch ein paar Stunden sitzen.
Schließlich fahre ich aber doch weiter. 100 km weiter östlich liegt der kleine Hafenort Ploumanach. Die Gegend dort ist für ihre Küste mit rosa Granitfelsen bekannt.

Ich lande auf einem schönen, grünen Campingplatz, nur wenige Gehminuten vom Hafen, an dem das kleine Städtchen liegt.
Hier schwimmen kleine Fischer- und Sportboote.

Das heißt, sie schwimmen nur bei Hochwasser, der Tidenhub ist hier ziemlich deutlich, bei Niedrigwasser liegen die meisten Boote auf dem Schlick.

Ich erkunde zunächst die Gegend zwischen Hafenausfahrt und dem Strand des Ortes.

Am Strand startet ein bekannter Wanderweg entlang einiger besonders schöner Felsformationen nach Perros-Guirec.

Dort schaue ich ein bisschen auf das Meer, bewundere das Werk eines Sandmalers und wandere dann wieder zurück.

Bei einem weiteren WM-Spiel der deutschen Mannschaft (das Spiel gegen Schweden mit dem kroosartigen Tor von Toni in letzter Minute) stelle ich fest, dass die Gegend bei Deutschen beliebt ist. Mit so vielen Landsleuten habe ich noch kein Spiel gesehen.

Dann neigt sich meine Zeit auch an dieser Station ihrem Ende zu.
Inzwischen fühle ich deutlich, wie sehr mich die Heimat wieder lockt.
Abschließend gehe ich in einem schönen Restaurant am Hafen noch einmal essen.
Am letzten (richtigen) Tag möchte ich nicht sparen, stelle aber fest, dass eine Flasche Wein ganz schön viel für eine Person ist, auch wenn man den Abschluss einer besonderen Reise feiert.

Ich bin aber noch klar genug, um eine Erfahrung aus der Kategorie „Vorurteile leiten die Wahrnehmung“ mitzunehmen.
Zwei Tische weiter speist ein Paar, etwas älterer Mann, hübsche Frau, gut gekleidet.
Vor ihnen am Hafenbecken steht ein flacher, breiter BMW mit Schweizer Kennzeichen.
Das passt, reicher Mann, wahrscheinlich diskreter Schweizer Bänker, schicke Frau, dickes Auto.
Als sie aufgegessen haben gehen sie Richtung BMW – und steigen auf die Fahrräder, die dahinter abgestellt sind.
Der Mann, der später in das Auto steigt, sieht eher aus wie ein bretonischer Fischer.

Aubigny-au-Bac

Meine wirklich letzte Station ist Aubigny-au-Bac, etwa 60km vor der belgischen Grenze.
Für die Auswahl dieses Ortes gibt es nur einen Grund: dort habe ich etwas mehr als die Hälfte des Wegs nach Hause hinter mir.
Der Platz ist aber gar nicht hässlich, mein Stellplatz ist richtig groß, von Hecken umrahmt, mit eigenem Baum.

Als ich nachmittags ankomme, finde ich sogar einen Bäcker, der mir kleine Schweinereien verkauft.

Ich baue das Auto gar nicht mehr groß um, am nächsten Morgen möchte ich früh aufbrechen.
Auch kochen möchte ich nicht mehr, daher suche ich abends eine Kleinigkeit zum Essen.
Das stellt sich als schwieriger als erwartet heraus.
Alles was ich auf Google Maps finde hat gerade zu, hat endgültig geschlossen oder existiert überhaupt nicht.
Als ich nach über einer Stunde schon aufgeben und doch meine Minestrone-Dose, die ich noch aus Italien habe, aufmachen will, finde ich doch etwas.
Auf einem etwas heruntergekommenen Parkplatz steht ein Imbisswagen.
Ich bestelle etwas, das auf Französisch gar nicht so schlecht klingt.
Es stellt sich als Baguette mit einer Hamburgerscheibe, einer Scheibe Kunststoffkäse und etwa fünf Portionen Pommes (im Baguette!) heraus.

So habe ich mir die feine Französische Küche nicht vorgestellt!
Zu allem Überfluss schmeckt es, wie es aussieht.

Am nächsten Morgen breche ich tatsächlich noch vor 7:00 auf.
Mit ein bisschen Stau und nur wenigen, kurzen Pausen komme ich am Nachmittag nach drei Monaten und fünf Tagen und etwa 12.000km in meine geschmückte Wohnung.
Die Zeit unterwegs war besonders, aber jetzt freue mich genauso wie die Wohnungsschmückerin, wieder zu Hause zu sein!

Veröffentlicht in Busfahrt.

3 Kommentare

  1. Lieber Christian,
    ich möchte mich bei Dir für den interessanten Reisebericht bedanken. Er hat mich immer gut unterhalten.
    Ich hoffe, Du hast Dich zu Hause wieder gut eingelebt. Ich weiß ganz genau, die Wohnungsschmückerin hat Dich gut empfangen
    Viele Grüße Nicole

  2. Herrlich, lieber Christian (bitte französisch aussprechen)! Ich habe mich ebenso wunderbar unterhalten gefühlt. Danke dafür! Bis zum nächsten Familientreffen!
    Liebe Grüße
    Ann-Kristin

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